Zarische Truppen, Krasnaja Poljana, 21.5.1864

Zarische Truppen, Krasnaja Poljana, 21.5.1864

Freitag, 30. August 2013

Antwort von Dr. Elke Fein (AfD)

Von Frau Dr. Elke Fein, Kandidatin für "Alternative für Deutschland" und gleichzeitig Osteuropa-Expertin mit wissenschaftlichen Publikationen u.a. zu Memorial, habe ich heute folgende Antwort erhalten:


"Liebe Frau Kreiten,
vielen Dank für Ihre Fragen - ein heikles Thema.
Wenn Sie möchten, dass ich Ihnen offiziell antworte, senden Sie doch bitte noch die gewünschten links, damit das auch über Abgeordnetenwatch geht.
Hier schon einmal vorab Fragen 1 + 2:
Mit diesem Massaker habe ich mich bis jetzt nicht näher beschäftigt, aber die Grundproblematik ist mir als Osteuropahistorikerin natürlich vertraut.
Sie sprechen zu Recht auch das Problem der medialen Abdeckung dieses Themas an. Während über die zum Teil sehr rücksichtslosen Bauarbeiten in Sotschi recht viel berichtet wird, bleibt der tscherkesische Aspekt meist eher unbeachtet.
Wie Sie vielleicht wissen habe ich mich einigermaßen intensiv mit der (fehlenden) russischen "Vergangenheitsaufarbeitung" auseinandergesetzt. Dazu sind von mir u.a. drei Bücher und mehrere Aufsätze erschienen (Näheres auf meiner Webseite: www.elke-fein.de). Das Vorgehen der russischen Regierung überrascht mich daher nicht im Mindesten. Es reiht sich ein in eine Tradition postsowjetischer Verleugnungspolitik, die sich vermischt mit einer Suche nach einer neuen nationalen Identität und einer Kompensation des verlorenen Großmachtstatus - ohne sehr viel Rücksicht auf Befindlichkeiten der Opfer.
Das Problem im Blick auf Ihre Frage ist, dass es nicht an uns ist, den Russen Ratschläge bezüglich des Umgangs mit ihrer Vergangenheit zu erteilen. Natürlich können wir entsprechende Initiativen unterstützen, die sich für eine Aufarbeitung der Verbrechen und für eine Versöhnung zwischen den verschiedenen daran beteiligten bzw. davon betroffenen Akteuren einsetzen (wie z.B. MEMORIAL). Doch die betreffenden Initiativen müssen aus der russischen Gesellschaft selbst kommen, wenn Sie wirksam sei sollen. Die Gesellschaft dort muss den Mut fassen, sich mit den schwierigen Kapiteln ihrer Geschichte auseinanderzusetzen. Zum Glück gibt es derartige Initiativen, die jedoch leider einstweilen noch vergleichsweise schwach sind und zudem seit dem Amtsantritt Putins immer stärker in ihrer Arbeit behindert und sogar kriminalisiert werden.



Freundliche Grüße
Elke Fein"



Da ich mir aufgrund der Nachfrage nach Abgeordnetenwatch nicht sicher war, in welcher Form Frau Fein ihre Antwort veröffentlicht haben wollte, hatte ich mich noch einmal mit untenstehender email vergewissert und hierauf auch sofort "grünes Licht" für ein Einstellen auf meinem Blog erhalten.
Ich habe mir gleichzeitig, da Frau Fein die wichtige Frage nach äußerer Einmischung/Nichteinmischung  in die russische politische Landschaft aufgeworfen hatte, einen kleinen Kommentar samt Verdeutlichung meiner eigenen Position in diesem Punkt erlaubt und schrieb:


"Liebe Frau Fein,

Haben Sie vielen Dank für die schnelle Reaktion und explizit auch für das konkrete Eingehen auf die Westkaukasus-Problematik. Ich hatte Sie nicht zuletzt vor dem Hintergrund Ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit angeschrieben und freue mich somit besonders über Ihr Interesse.

Ich teile Ihre Ansicht, daß es - gerade auch vor dem Hintergrund der nach wie vor defizitären deutschen Vergangenheitsaufarbeitung - unangemessen wäre, Rußland in Bezug auf seine Geschichtspolitik von außen Ratschläge erteilen zu wollen.  Auch sähe ich bei einem versuchten deutschen Eingreifen in die gegenwärtigen Verhältnisse innnerhalb der Russischen Föderation die Gefahr, daß zivilgesellschaftliche Belange für die machtpolitischen Interessen anderer Staaten instrumentalisiert werden, was sich letztendlich auch für die betroffenen Minderheiten kontraproduktiv auswirken würde.

Mir geht es deswegen zuallererst darum, daß tscherkessische Belange - nicht zuletzt auch die der tscherkessischen Diaspora - von einer internationalen Öffentlichkeit überhaupt wahrgenommen werden, eine offene Diskussion und wissenschaftliche Aufarbeitung außerhalb der RF möglich gemacht und entsprechende Hindernisse in den jeweiligen Ländern ausgeräumt werden wie auch, daß Vertreter der tscherkessischen Seite an diesem Prozeß auf angemessene Weise beteiligt werden. Mein Hauptanliegen in Bezug auf Sotschi 2014 ist, daß sich nicht zusätzlich zum problematischen russischen Umgang mit Minderheiten auch noch andere Staaten und Gesellschaften auf direkte oder indirekte Weise an der russischen Praxis des Verschweigen beteiligen. Es ist somit mein Wunsch, daß in Bezug auf die Kolonialgeschichte der Region von Berichterstattern, Teilnehmern der Spiele und einer allgemeinen Öffentlichkeit eine entsprechende Sensibilität an den Tag gelegt wird. 

Auch vor diesem Hintergrund finde ich Ihre Äußerungen sehr konstruktiv und würde, wenn Sie dem zustimmen, Ihre Stellungnahme gerne schnellstmöglich, d.h. bereits in ihrer gegenwärtigen Form, auf meinem Blog freischalten. Sie könnten Ihre Antwort dann auch jederzeit gerne ergänzen oder erweitern. Mit Abgeordnetenwatch hatte es im Vorfeld Unstimmigkeiten gegeben (u.a. auf meinem blog nachzulesen), die mittlerweile zwar zum Teil behoben wurden, aber dazu geführt haben, daß ich nunmehr meine gesamten Anfragen über mein privates email-Konto habe laufen lassen. Wenn Ihnen eine Veröffentlichung über Abgeordnetenwatch lieber wäre, so würde ich versuchen, mich mit den Betreibern zu einigen und dann meine Anfrage erneut über Abgeordnetenwatch einzugeben.

Ich bedanke mich erneut für Ihre Stellungnahme auf der Basis Ihres eigenen fachlichen Wissens und bitte um eine kurze Rückmeldung in Bezug auf die Veröffentlichung.

Mit freundlichen Grüßen,
                                           Irma Kreiten"